Montag, 1. Dezember 2014

zwei feine Kleine

Wo steht eigentlich geschrieben, dass nur über die "großen Events" gedichtet werden darf bzw. es der Mühe Wert erscheint, einige Gedanken zu bewahren? Ich komme einfach nicht umhin, "Lipperland" und "Twistesee" auch zu bedenken. Sie haben es beide verdient.

a.
Humfeld rückt irgendwie immer näher an Göttingen heran. Man braucht beim 4. Mal keine Landkarte mehr (was ist ein Navi?), um es dort zwischen Barntrup und Dörentrup zu finden. Jetzt ist auch die Ortsumgehung von Aerzen fertig und es geht noch flotter. Die Rübenlaster sind äußerst zügig unterwegs, der Astra kommt kaum hinterher. Das schenkt uns letztlich wertvolle Zeit vor dem Start, um in den Bergen der Alt-Urkunden nach vergangenen HeldInnen-Taten zu graben oder mit Bekannten zu klönen, von denen etliche mit diesem bekannten hell/dunkelblauen Auto-Aufkleber durch die Welt gondeln. Oder an der Startnummernausgabe um die besten Nummern zu feilschen (die wie immer per se bedeutungsvoll sind, heute aber mal wieder ganz besonders im Mittelpunkt stehen werden). Es wird die "333" für Sanna und die "332" (ja, New York ohne Null!) für mich. Ganze 8 Euro für einen (fast) ganzen Traditions-Marathon (41,5km - 35. Austragung!) sind in der "Idealisten"-Klasse (kein TShirt, keine Abzeichen) zu berappen.

Wie immer entstehen kurz vor dem Start überflüssige Diskussionen über die Position der Startlinie und die Laufrichtung. Nach drei-/viermal merkt man sich das! Wie immer steht 2min vor dem Start um 12h mittags kaum einer bereit. Wie immer laufen hier heute alle (das sind leider nur gut 60 Leute bei optimalen Bedingungen [trocken, 10°]) locker und "nur so". Nur Sanna hält sich mit pace 4:50 auf den ersten 4k, die uns an die zweimal zu laufende 16,5k-Schleife heranführen, nicht dran und ich hänge zwischen den Stühlen: Mit ihr zusammen laufen (wie eigentlich ausgemacht) oder "so 3:45 bis 4:00h", wie mit Jan besprochen? So trabe ich erstmal einsam in der Mitte vor mich hin. Genau zu Beginn der ersten Schleife habe ich Sanna ("ich schlage dich 2015 in Hamburg!") aber ganz von alleine eingeholt und damit sind die Würfel für heute gefallen: Mit ihr laufen! Was dabei am Ende herauskommen wird, kann man angesichts ihres doch lückigen Trainingsstandes nicht unbedingt vorhersagen, vielleicht werden wir ja Jan und die anderen doch noch vor der Ziellinie wiedersehen ...

Zweifel an der Pace (da gibt es auch noch 800 Höhenmeter ...) können einem allein schon deshalb kommen, weil wir hier gerade auf Gesamt-Position 2 und 3 (!!) laufen ... Scheint aber einfach "niemand da" zu sein, denn wirklich überzogen schnell sind wir ja nun auch nicht unterwegs. Ich genieße es, im Gefühl zu laufen, die Strecke erst vor wenigen Wochen zum letzten Mal absolviert zu haben, so plastisch habe ich plötzlich alle Abschnitte vor mir. Das birgt eine gewisse Ambivalenz, denn es könnte ja auch Langeweile und Demotivation aufkommen. Heute ist es aber eher umgekehrt: Ich kann Sanna erzählen, wann die nächste Verpflegung kommt, und sie und mich selbst auf die anstrengenden und erholsamen Abschnitte einstellen. Bereitwillig und entspannt lassen wir erst einen, dann noch einen Läufer gegen Ende der ersten Runde vorbei. Entweder, ihr seid weg, oder wir sehen uns später noch mal!

Hm, jetzt wäre ich alleine schon schneller unterwegs ... Egal, ich bleib einen Meter hinter ihr. Ich bekomme Redeverbot. Recht hat sie. Es ist unglaublich ätzend, wenn man während eines Laufs, der einen selbst anstrengt, von jemandem zugetextet wird, der offenkundig nicht ausgelastet ist (aber soll ich jetzt nicht doch wenigstens einen von den beiden Überholern kassieren, um wieder auf Rang 3 zu laufen?) Nein, nicht heute, nicht in Humfeld, nicht in meiner Laufpause (hahaha) nach New York.

Mitte der zweiten Runde. Die große Prärie mit den Windrädern. Weiter Blick. Da vorne ist der eine ja wieder! Sind wir näher gekommen? Ruhig! Ganz locker die lange Gerade hoch zum Waldrand. Wir werden (noch) nicht schneller! Klar, der Typ ist alle! Wir müssen überhaupt nicht schneller werden, am Berg fällt er quasi auf uns zu. "Bin doch nicht so fit wie ich dachte!" murmelt er uns beim Überholen zu. Immerhin ehrlich und keine blöde Ausrede. Sanna is back. Jetzt würde ich allein eher langsamer laufen. Aber versprochen ist versprochen. Macht Spass! Wie vor zwei Jahren in Arolsen, als wir 2km vor dem Ziel ihren Frauen-Sieg beschlossen, einfädelten und durchführten. Diese Momente sind unbezahlbar.

Die zweite Runde ist beendet, es geht runter raus aus dem Wald zurück nach Humfeld. Inzwischen ziehen uns Walker und langsamere Halbmarathonis unaufhörlich nach vorne. Gesamtpace? 5:10! Humfeld ist knapp 1km zu kurz... "Ey, wir können noch 3:33 schaffen, Deine StartNr.!" Los geht's. Oh, das wird knapp ... 3:32:30 ... 3:32:45 ... sehr knapp ... Wir sprinten wie die Irren in den Zielkanal und ernten fassungslose Blicke (kein Mensch weit und breit, den wir noch hätten überholen können). Kurze Verhandlung mit dem Zielgericht: "Das muss noch eine 3:33 gewesen sein!" Ja! War es auch: 3:33:59. Perfekt. Jan und Björn kriegen das am Ende genauso gut hin: Haben eine 4:00h angesagt und laufen 4:00:08. Wir haben das alle ganz schön drauf!

Es war aber nicht nur Jux und Tollerei. Jeder Marathon lehrt mich etwas. Und das ist kein dummer Schnack. Heute war es eine kleine, offenbar notwendige Wiederholung (der Lektion vom Mai am Elm): Zu zweit ist es leichter, so viel leichter! Vor 2 Jahren bin ich alleine auf der identischen Strecke zwar bis auf 2sec (!!) die identische Zeit gelaufen, aber es war so ungleich viel schwerer!

Würde mich wundern, wenn ich nächstes Jahr nicht wieder nach Humfeld gurken würde. Auch wenn ich die 2014er Urkunde diesmal schon direkt überreicht bekommen habe. Aber vielleicht ist dann die "320" ja noch frei!

  


b.











Arolsen-Wetter! +2°C, und grau-grau-grau. Anders haben wir das seit 2008 eigentlich nie erlebt. Ab und zu ein bißchen feuchter höchstens. Nix wie hin da, zum 5. Mal!

Knapp 100km von Göttingen an den Twistesee. 2 Erwachsene im Auto. Ob wir es diesmal endlich mal in einem Rutsch schaffen werden? Kurz hinter der Werra-Brücke (km 22) wird dieses ehrgeizige Vorhaben durch die Beifahrerin bereits sabotiert. Immerhin - ein neuer Negativ-Rekord. Dafür schaffen wir es diesmal, den Blitzkasten vor der Fulda-Brücke in Ruhe zu lassen und das preis-werte Frühbucher-Startgeld von 22 Euro nicht mutwillig zu erhöhen. Wieder gibt es ein paar Kreisel und Logistikhallen mehr entlang der Strecke. Wann hört das endlich auf? Unser timing ist gewohnt perfekt und wir bekommen einen der letzten freien Parkplätze in der pole position direkt vor dem Eingang der Festhalle. Da hat es Sanna nicht so weit zu tragen mit ihrem spontan beschlossenen und genehmigten Gesundheitsstand im Foyer.

Wir vom ASFM rücken hier heute in großer Besetzung an und nehmen wohl zumindest die Mannschaftswertung ziemlich ernst. Jedenfalls wird die einheitliche Schreibweise des Vereinsnamens bei der Startnummernabholung noch mal kontrolliert, damit nicht wieder dasselbe Malheur passiert wie letztes Jahr, als uns dadurch der 3. Platz durch die Lappen ging (ich war ausnahmsweise schuld). Dass hier immer die "Worschtfreunde" gewinnen, müssen wir in einem Akt grenzenloser Toleranz (wikipedia: "Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten") wohl akzeptieren.

Am Twistesee kannst Du eigentlich starten, wann immer du Lust hast, jedenfalls zu jeder vollen Stunde vor dem Hauptstart um 11 Uhr (das geht in Humfeld übrigens auch). Um 16 Uhr sollen alle wieder im Ziel sein, dann ist ja auch dunkel (und der Glühwein und das Duschwasser alle). Das ist natürlich ein toller Service vom "Veranstalter", der einem hier in Form der liebenswerten Familie Wierschula noch von Angesicht zu Angesicht gegenübertritt, und den Besatzungen der VPs, die dadurch natürlich noch länger in der Kälte durchhalten müssen (na, auf jeden Fall früher). Auch sonst ist man um die Teilnehmer überaus bemüht und besorgt und beim Briefing wird man vor allen Hindernissen und Eventualitäten auf der Strecke gewarnt. Aber die Quote der Erstteilnehmer ist erfreulicherweise durchaus beträchtlich und so ganz "ohne" ist die Strecke ja nun auch wirklich nicht.

Viertel vor Elf schlendert man kollektiv zum Start am jenseitigen Ende des Staudamms und fragt sich schon jetzt, ob oder wie man "nachher" wieder diese Rampe vom Ufer hinauf zur Halle schaffen soll. Als die Startsirene losheult, bin ich noch mitten in ein renntaktisches Gespräch vertieft, und so sind alle meine Leute weg und weit vor mir. Das hat den Vorteil, dass ich diesmal nicht als Schuldiger für's Anfangs-Überpacen in Frage komme und den Nachteil, dass es fast 3km bis zum Ende des Sees dauert, bis ich wenigstens Jan und Sanna eingeholt (und dabei ordentlich überpaced) habe. Und schon geht es auch hinein in die rolling hills. Sie kommen mir jedes Mal flacher und angenehmer vor. Streckenkenntnis ist wohl ein großer Vorteil.

Nicht gerade verhalten geht es über die ersten 16km im 4:45er pace. Allein wäre ich langsamer (und wohl "hinten" bei Jan - Tim und Alex sind irgendwo viel(?) weiter vorne). Ich bin aber zu neugierig, ob Sanna schon wieder so ein Ding raushauen kann wie vor 2 Wochen in Humfeld (Lipperland), und so bleib ich bei ihr. Es ist dies erst ihr 3. Marathon dieses Jahr, dazu kommt ein kurzer Ultra (Bilstein). Lange Trainingsläufe waren bis auf wenige Ausnahmen Fehlanzeige. Dagegen ist es für mich der 10. Marathon, neben 11 Ultras. Genau: Heute, das ist hier mein 50. echter Marathon (ohne Ultras) seit September 2007. So viel kann ich ja schon mal vorweg nehmen, ohne das heutige Ergebnis zu verraten: Die Durchschnittszeit dieser 50 Marathons liegt bei 3:31:26 bei durchschnittlich 595 Hm (die haben wir hier heute zufällig auch - ungefähr [das "Angebot" reicht je nach Uhr und Nachbearbeitung von 530 bis 635]).

Auf dem kurzen steilen Stück bei km17 ist Sanna dann plötzlich weg - hinter mir. Ich fummle das Klopapier raus und denke, es kann ja nicht schaden, etwas Vorsprung herauszulaufen, denn es drückt doch einigermaßen (also nicht das Klopapier ...). Trotzdem sollten wir uns dann erst im Ziel (oder besser gesagt: nach dem Duschen) wiedersehen. Dafür treffe ich andere, erwartet oder unerwartet: Maren z.B., kurz vor Ende der Wendeschleife bei km25, die um 10h gestartet war und gar nicht so vergnügt dreinschaut. Oder Tim bei km32, am Ende der 2km langen, fiesen Steigung, mit dem ich nicht unbedingt gerechnet hatte. Ansonsten battle ich mich von km 15 bis 35 mit zwei Kandidaten, die vielleicht genau wie ich froh wären, wenn die anderen einfach von der Bildfläche verschwänden und man endlich etwas ruhiger weitermachen könnte. Aber so? Nehme ich es als Zeichen, dass ich jetzt auch die verbleibenden Kilometer vernünftig zu Ende bringen soll. Die langsamste Durchschnittspace, die ich heute auf der Uhr hatte, war 4:49, die schnellste 4:44 (ganz so, als ob es keine Hügel gäbe ...). Also ist der Rahmen vorgegeben.

Als ich dann nach dem letzten VP in Braunsen bei km38 vorne eine blau gekleidete Figur ausmache ("sehen" kann man das mit den gewohnten Kälte-Tränen in den Augen nicht wirklich nennen), muss ich grinsen. Wenn das jetzt Alex ist, dann wird er was erleben! Genau auf diesem Abschnitt haben Sanna und ich 2012 in einem taktischen (Genie-)Streich ihren Frauen-Gesamtsieg klargemacht, in dem wir uns von hinten anpirschten und im offenbar richtigen Moment wenige 100m vor dem Ziel zum Überholen der bis dahin Führenden ansetzten. Das hatte richtig Spaß gemacht (als es vorbei war und funktioniert hatte). Aber bis zum Auflaufen tut es erst mal weh. Ziemlich bald bin ich mir einerseits sicher, dass ich den Typ locker einkassieren werde, aber auch, dass es nicht Alex ist, schon rein laufstilmässig.

Nee, Alex war schon Stunden im Ziel und hatte seinen 2. oder 3. Glühwein fertig, als ich nach knapp 3:22h in persönlicher Strecken-Bestzeit ankomme. Er textet wie ein Wasserfall und kann auf seine 3:12h (Gesamt-Neunter!) natürlich mehr als stolz sein. Wir machen aus Jux dasselbe Finisher-Foto wie letztes Jahr. Und dann bekommen wir als Lohn der Anstrengung tatsächlich noch eine heiße Dusche. Nach der Definition des Veranstalters gehören wir also zu den "Schnellen", denn nur die genießen angeblich diesen Luxus.


Alle ASFM'ler finishen bravourös und Sanna landet in 3:31h (nur 5min über ihrer Flachmarathon- PB) auf dem 5. Frauen-Platz. So unterschiedlich sind die Konkurrenzen von Jahr zu Jahr, denn vor 2 Jahren gewann sie noch, war dabei aber 10min langsamer. Leider, leider dauert es mit den Auswertungen und den Siegerehrungen wieder recht lange, und da wir alle noch "Termine" haben, ist keiner mehr von uns zugegen, als es dann irgendwann damit losgeht. Aber wozu hat man Freunde? Martin von den BiMa's schafft es, unsere Mannschaftspreise (4. und 5. angeblich, Listen gibt es noch nicht) und meinen Gutschein für den Freistart nächstes Jahr (AK 1.!) entgegen der Anwesenheitsregel anzunehmen.

Übrigens, die Worschtfreunde haben wieder gewonnen - und das wird wohl auch so bleiben, bis sie Vegetarier geworden sind.

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