Gut, die Wettervorhersage für morgen ist natürlich top - sonst wären wir wohl auch gar nicht erst losgefahren, jedenfalls ich nicht. Der erste richtig kühle Tag mit einstelligen Temperaturen unten (und oben natürlich) sowie sehr viel Sonne und ziemlich wenig Wind steht bevor. Ok Berg, wir kommen! - 2 Euro die Nacht in wohlbekannter Umgebung. Die Claims sind mit diesen Tischtennis-Abtrennungen abgesteckt, die Hemden der Ur-Harzgebirgsläufer hängen wo sie immer hängen, nur die ehemals dauervermietete Geräte-Garage ist nicht mehr von dieser netten Familie aus dem Brandenburgischen belegt, die Kinder dürfen inzwischen frei laufen. Mit dem Bus in die Stadt zum Nachmelden, um den Parkplatz in der pole position nicht zu gefährden. Ohropax gibt es bei Rossmann direkt am Marktplatz. Hi, Conny & Kalle! - Wie gesagt, kein Wetter, das Lust auf irgend etwas macht, außer schnell wieder zurück ins Warme und Trockene zu kommen. Dort gibt es leckere mitgebrachte, noch warme Curry-Hirse mit selbstgemachtem Pesto (80% Knoblauch, der claim ist gesichert). Um 23 Uhr geht die restliche Hallenbeleuchtung aus. Als ich aufwache, ist sie schon wieder an, dazwischen hab ich nur einmal auf die Uhr geguckt. So gut hab ich hier noch nie geschlafen! Entweder ich bin entspannt, oder total fertig. - Frühstück mit noch mehr Hirse, unglaublich guten blauen Weintrauben von der heimischen Göttinger Gartenlaube und Tee, hier traditionell zubereitet mit dem von der netten brandenburgischen Familie geliehenen Ost-Kocher. Trotzdem - immer noch keine wirkliche Lust. Nicht doch lieber ins Café setzen? 42 Euro pro Mütze hätten wir ja auch bestimmt im Hotel bezahlt!
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Mist, wie befürchtet bewirken die Erschütterungen der Schritte auf dem Teer das Absinken und Verdichten beweglicher Komponenten im Darm. Das wird wohl nichts werden ohne Boxen-Stop heute. Mit leicht verklemmter Mimik passiere ich die kultigen LaOla-Damen, die da jedes Jahr in der Nähe des festen Klo-Häuschens das gesamte Feld unterhalten. Rein da? Nee, muss noch gehen. Endlich runter vom Asphalt. VP am Knochenbrecher, aber leider keine Cola, nichts Salziges. Es folgen einige minimale Gegensteigungen, bevor die Strecke über Kilometer in ein recht konstantes, optimal laufbares Gefälle übergeht. Ich überhole. Tach, Hubertus! Und überhole. Und könnte eigentlich schneller. Was ist hier los, heute, Körper? Ausnahmsweise mal einen dieser seltenen "Heute-läuft-es-einfach"-Tage auf einen Wettkampf-Termin gelegt? Das werde ich rauskriegen, wenn bei km32 nochmal eine ziemlich üble Gegensteigung ansteht. Also "übel" unter dem Aspekt, dass man schon 32km in den Beinen hat, und die letzten 10km konstant bergab gedonnert ist (alle paces zwischen 4:30 und 4:10). Pah, läuft heute auch, wie Butter. Bin ich auch noch nie durchgelaufen, glaube ich! Ok, dann gucken wir jetzt mal - und der Darm kann mich so was von!
Nach Kilometer 36.5 (und der wirklich letzten kleinen Steigung - klar - gelaufen!) trifft man auf die (eher nicht so schnellen) Halbmarathonies, die ein willkommenes Kanonenfutter abgeben und mit (gefühlt) doppelter Schallgeschwindigkeit eingesammelt werden. Mein Gott, läuft das leicht! Beim "noch 4km"-Schild habe ich 3:20h auf der Uhr, d.h. für eine sub-3:40 reicht jetzt eine 5er-Pace! - "Das wird was, aschu, das tüten wir jetzt ein!"
Klar, da sind heute 60 Leute schneller gelaufen als ich, z.T. natürlich viel schneller (und gut 600 teilweise etwas langsamer). Das ist ja nicht der Punkt. Ich freue mich, dass man es immer mal wieder erlebt - dieses Gefühl, das man so selten genießen darf, dass man manchmal glaubt: "das kommt wohl nie wieder!" - das Gefühl, das man nicht bestellen kann, wo alles zu passen scheint, obwohl es objektiv betrachtet gar nicht passen kann oder darf. Ich laufe 6 Tage nach der 3:17h in Bremen, wo die letzten 5km eine Qual waren und nach der es mir gar nicht gut ging, den Brocken in 3:37h und finde es einfach schade, als im Ziel schon alles vorbei ist. Das I-Tüpfelchen liefert dann die Sofort-Urkunde - auch noch Altersklassen-Sieger! - Gut, damit dürfte andererseits klar sein, dass eine lange Wartezeit bevorsteht, bis ich mal wieder (innerlich) so jubeln kann. Macht nichts. Irgendwann. Irgendwo. Jedenfalls unerwartet. - Spannend!
Sanna kommt irgendwann auch noch an. Nein - Scherz beiseite, auch sie kann mit knapp unter 3:52h ihre Brocken-Bestzeit zum 3. Mal leicht verbessern. Die Leguanos haben sie bergab doch etwas ausgebremst, meint sie. Sie ist sich ziemlich sicher, 7. zu sein, ich tippe eher auf Platz sechs, aber wer weiß das schon wirklich, selbst die erste Info ("8. Frau!") kann falsch gewesen sein (die Urkunden weisen das leider nicht aus, niemand kann uns weiterhelfen). Wir entscheiden uns, angesichts der einstelligen Temperaturen und unserer nassen Klamotten zurück zur Halle zum Duschen zu gehen - womit klar ist, dass sie die Siegerehrung zeitlich verpassen wird. - Zurück in Göttingen sehen wir in der Ergebnisliste, dass ich "leider" recht hatte. Die Enttäuschung darüber bleibt ziemlich begrenzt. Wir sitzen unter den Palmen in der Sonne. Es war einfach ein guter Tag.
die Zeit, sie scheint auch irgendwie zu rennen ... :) (c) Joe Kelbel |